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Ausstellung

Frauenkunst

FT 03.06.02

Eine Gegenwelt gegen das allzu Glatte

Skulpturen und Zeichnungen von Reinhard Klesse am Regnitzufer und in
der Hoffmannsklause

Einen Schatten wirft Reinhard Klesses Siebzigster nicht voraus. Aber eine Ausstellung in der und um die Hoffmannsklause in Bamberg-Bug, die am gestrigen Sonntag eröffnet wurde. Ohne Reden, dafür mit Blasmusik.

von Winfried Schleyer

Was hätten sie uns auch Neues erzählen können über den in Viereth lebenden Bildhauer Reinhard Klesse? Bekannt ist er wie ein bunter Mops - oder wie zwei von der Sorte, seine Werke sind überall in Franken zu bewundern - unter freiem Himmel als Brunnen oder Gartenskulpturen, in Privathäusern und Museen als Kleinplastiken oder Reliefs, an den Wänden als Zeichnungen.

Da war es nur konsequent, dass er, der kein großes Trara mag, uns ausgerechnet Blasmusik um die Ohren dröhnen ließ zur Eröffnung seiner jüngsten Ausstellung draußen auf dem Buger Campingplatz.

Gewiss wirft der Siebzigste Ende Oktober - wie formulierungsfaule Medienmacher gern faseln - seinen Schatten voraus. Das war in diesem frischen Fall freilich ganz wörtlich zu nehmen, so dass es die leichtfertig dem schönsten Sonnenschein vertrauenden Gäste im Vorfeld der Hoffmannsklause fröstelte.

Mit den dort aufgestellten Skulpturen hatte das wiederum wenig zu tun. Auch wenn sich viele von ihnen der Kleidung entledigt haben. Die drei weiblichen Akte zum Beispiel, dralle Grazien, oder die wohl proportionierte Bauchtänzerin. Besonders aber die eher hageren Jünglinge, denen es - ganz im Gegensatz zu den Damen - an Selbstbewusstsein gebricht.

Zu Klesses Repertoire gehören nicht minder die Musikanten, von dessen Trio der Quetschkommodiant rasch einen roten Punkt verpasst bekam. Um Formen und Proportionen, um Plastizität geht es da selbstverständlich, ein bisschen aber auch um augenblinzelnde Heiterkeit. Dann jedoch eine schöne Geste am Regnitzufer: Da scheint Undine märchenhaft aus den Wellen aufzutauchen, just an jener Stelle, an der sie Hans Neubauer einst in seinem Roman "Zwischenhoch an der Regnitz" beobachtet hat; eine Tafel gedenkt des unvergessenen Autors und Vorsitzenden des Bamberger Kunstvereins.

Drinnen die Zeichnungen. Gleich links an der Wand die Karter in ihrem Element, und der Wirtstisch darunter sieht aus, als wären sie nur für einen Moment hinaus gegangen, um Platz zu schaffen für die nächsten Seidla. Musiker fehlen hier ebenso wenig, Dorfmusikanten mit Leib und Seele, der Nachbar mit der Tuba eingeschlossen. Flurumgang und Prozession begleiten sie nach Noten, nur bei der (virtuellen) "Vernissage" haben sie Pause, da kommen die Klugschwätzer zu Wort.

Menschen auf der Suche nach Zuflucht

Neue Aspekte bringen die "Paare" ins Spiel. Oft wirken sie, als verkrallten sie sich ineinander, weniger befreite Lust als verzweifelte Zufluchtsuche, um dem Elend der Einsamkeit zu entrinnen, von dem die Menschen auf vielen seiner Blätter gezeichnet sind, die Alten zumal. Deshalb kann man selbst der "Bösen Alten" eigentlich nicht einmal böse sein.

Reinhard Klesse ist schon ein großartiger Menschenbeobachter und -kenner. Das macht seine Geschöpfe so anrührend. Nicht, als ob er sie nicht kritisch sähe, als ob er nicht lachen könnte über ihr Tun und Treiben. Doch er lässt ihnen ihre Würde.

Das gilt, paradoxer Weise, sogar für seine winterlichen Dorfansichten und die Landschaftsbilder. In ihnen spiegeln sich gleichnishaft Gemütszustände, Melancholie und Leid. Sie wirken am Eindringlichsten, am Nachdrücklichsten. Die Stufen hinauf auf den Kreuzberg - sind sie nicht so etwas wie ein Lebensweg? Die entlaubten Bäume, die ihre Äste in den grauen Himmel recken - sind ihnen nicht die Träume abgefallen, die Illusionen? Die alten Weiden so grau - narren sie uns nicht mit ihren Gaukeleien?

Reinhard Klesses Kunstwelt ist eine Gegenwelt. Gegen das allzu Glatte des schönen Scheins setzt sie Last und Mühe. Aber auch Lust und Lachen, um beides ertragen zu können.